Dark Pattern im Rahmen von Online-Shops und Einkäufen

Dark Patterns (deutsch: dunkle Muster) sind gezielte Gestaltungstricks in Benutzeroberflächen, die Nutzer unbewusst zu bestimmten Handlungen verleiten sollen, die sie unter neutralen Bedingungen möglicherweise nicht ausgeführt hätten.

Im Kontext von Online-Shops und digitalen Einkäufen bedeutet das:
Webseiten oder Apps werden so gestaltet, dass sie Nutzer zu Käufen, Abonnements oder Dateneingaben drängen – oft ohne transparente oder faire Information.

Dark Patterns sind ein wachsendes Problem im digitalen Handel, da sie Verbraucherschutz, Vertrauen und Transparenz untergraben – und zunehmend rechtlich reguliert werden.

1. Definition und Herkunft des Begriffs

Der Begriff „Dark Pattern“ wurde 2010 vom britischen UX-Designer Harry Brignull geprägt.
Er beschrieb damit Designmuster, die psychologische Manipulationstechniken verwenden, um Nutzerentscheidungen zugunsten des Unternehmens zu beeinflussen.

Anders als gutes UX-Design (User Experience), das auf Benutzerfreundlichkeit und Klarheit abzielt, nutzt ein Dark Pattern kognitive Verzerrungen aus, um gewünschte Aktionen zu erzwingen – etwa den Klick auf „Kaufen“, „Zustimmen“ oder „Abo verlängern“.

2. Arten von Dark Patterns im E-Commerce

Im Online-Handel gibt es zahlreiche Formen manipulativer Designstrategien. Die häufigsten sind:

Kategorie Beschreibung Beispiel
Hidden Costs Zusatzkosten erscheinen erst im letzten Bestellschritt Versand- oder Bearbeitungsgebühr wird erst an der Kasse angezeigt
Forced Continuity Kostenloser Test läuft automatisch in kostenpflichtiges Abo über Probeabo endet nicht automatisch, Kündigung ist versteckt
Misdirection Gestaltung lenkt Aufmerksamkeit auf gewünschte Option „Ja, ich möchte das Premium-Abo“ in auffälliger Farbe, „Nein danke“ kaum sichtbar
Confirmshaming Nutzer werden durch Wortwahl moralisch unter Druck gesetzt Button: „Nein danke, ich möchte kein Geld sparen“
Roach Motel Einfacher Einstieg, schwieriger Ausstieg Kontoerstellung mit 1 Klick, aber komplizierte Account-Löschung
Sneak into Basket Artikel werden automatisch dem Warenkorb hinzugefügt Zusatzversicherung oder Garantie wird vorausgewählt
Trick Questions Doppelte Verneinung oder verwirrende Formulierungen „Ich möchte keine E-Mails nicht erhalten“
Countdown Pressure Zeitdruck durch künstliche Verknappung „Nur noch 2 Artikel auf Lager“ oder „Angebot endet in 5 Minuten“
Social Proof Manipulation Fake-Bewertungen oder künstliche Aktivität „15 Personen sehen sich dieses Produkt gerade an“ (ohne Basis)

Diese Muster nutzen psychologische Effekte wie FOMO (Fear of Missing Out), soziale Bestätigung oder Entscheidungsmüdigkeit aus.

3. Psychologische Grundlagen

Dark Patterns beruhen auf menschlichen kognitiven Verzerrungen (Cognitive Biases).
Typische Mechanismen:

  • Verlustaversion: Menschen vermeiden lieber Verluste, als Gewinne zu erzielen. („Nur noch heute gültig“)

  • Autoritäts- oder Gruppeneffekt: „Über 1000 zufriedene Kunden“ suggeriert Sicherheit.

  • Choice Overload: Zu viele Optionen führen zur Entscheidung für die prominenteste (oft vom Shop gewünschte) Variante.

  • Trägheit & Bequemlichkeit: Nutzer wählen häufig die voreingestellte Option (z. B. Häkchen bei Newsletter).

Diese Effekte werden gezielt eingesetzt, um Impulskäufe, Datenfreigaben oder Zustimmungserklärungen zu erreichen.

4. Dark Patterns im rechtlichen Kontext

a) Rechtliche Lage in der EU und Deutschland

Mit der Omnibus-Richtlinie (EU) 2019/2161, die in Deutschland 2022 umgesetzt wurde, gelten Dark Patterns in vielen Fällen als unlautere Geschäftspraktiken.

Relevante Gesetze:

  • § 5 UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) – Verbot irreführender Handlungen

  • § 312j BGB – Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr

  • DSGVO Art. 7 – Freiwillige, informierte Zustimmung zur Datenverarbeitung

Auch die Verbraucherschutzbehörden und die Europäische Kommission betrachten manipulative Online-Gestaltung zunehmend kritisch.

b) Beispiele rechtlich problematischer Praktiken

  • Voreingestellte Newsletter-Opt-ins → Verstoß gegen DSGVO

  • Undeutliche Preisangaben → Verstoß gegen § 5a UWG

  • Fehlende Abbruchmöglichkeit bei Abo-Verlängerung → unzulässige Irreführung

5. Negative Folgen für Online-Shops

Obwohl Dark Patterns kurzfristig zu höheren Conversion-Raten führen können, haben sie langfristig negative Konsequenzen:

  • Vertrauensverlust: Nutzer fühlen sich getäuscht und meiden den Shop.

  • Höhere Absprungraten: Manipulative Prozesse führen zu Kaufabbrüchen.

  • Rechtliche Risiken: Abmahnungen und Bußgelder bei Verstößen gegen UWG oder DSGVO.

  • Schlechtere Markenwahrnehmung: Nutzer teilen negative Erfahrungen öffentlich (z. B. über Social Media).

  • Niedrigere Kundenbindung: Wer sich getäuscht fühlt, kommt selten zurück.

6. Beispiele aus der Praxis

a) Versteckte Zusatzkosten

Ein Kunde wählt eine Küchenarmatur aus. Erst im letzten Schritt tauchen plötzlich Versandkosten, Bearbeitungsgebühr oder Versicherung auf – ohne vorherige Information.

b) Trickreiche Abo-Fallen

Ein „kostenloser Testmonat“ endet automatisch in einem kostenpflichtigen Abo, ohne klare Kündigungsmöglichkeit.

c) Fake-Dringlichkeit

Ein Online-Shop zeigt:

„Nur noch 1 Stück verfügbar!“
Obwohl tatsächlich unbegrenzter Lagerbestand besteht.

Diese Methoden können kurzfristig den Umsatz steigern – langfristig schaden sie der Vertrauensbasis zwischen Shop und Kunde.

7. Erkennung und Vermeidung von Dark Patterns

🔍 Wie man Dark Patterns erkennt

  • Ungewöhnlich viele Klicks für Abmeldung oder Stornierung.

  • Undeutliche Preisangaben oder Zusatzkosten.

  • Übertriebene „Dringlichkeits“-Hinweise.

  • Moralisch aufgeladene Ablehnungsoptionen.

  • Voreingestellte Checkboxen.

Wie man Dark Patterns vermeidet

  1. Transparenz: Alle Kosten, Optionen und Bedingungen klar kommunizieren.

  2. Opt-in statt Opt-out: Nutzer müssen aktiv zustimmen.

  3. Einfache Kündigung: Gleich einfache Wege für Einstieg und Ausstieg.

  4. Korrekte Darstellung von Verfügbarkeiten: Keine künstliche Verknappung.

  5. Neutrale Gestaltung: „Ja“ und „Nein“-Optionen gleich sichtbar.

💡 Praxis-Tipp:
UX-Design sollte Nutzerinteressen und Unternehmensziele in Einklang bringen – nicht gegeneinander ausspielen.

8. Positives Gegenmodell: Ethical Design

Ethical Design“ (ethisches Design) ist das bewusste Gegenkonzept zu Dark Patterns.
Hier steht die Integrität des Nutzers im Vordergrund.

Prinzipien:

  • Ehrlichkeit: Klare, verständliche Informationen.

  • Freiwilligkeit: Keine versteckten Verpflichtungen.

  • Transparenz: Nachvollziehbare Prozesse.

  • Respekt: Keine Ausnutzung kognitiver Schwächen.

Ethisches Design stärkt das Markenvertrauen und verbessert langfristig Conversion-Rate, Kundenbindung und Reputation.

9. Technische und rechtliche Maßnahmen

Maßnahme Beschreibung
Consent-Management-System (CMP) DSGVO-konforme Zustimmungslösungen ohne Zwang
A/B-Testing Test verschiedener Designs zur Ermittlung transparenter, erfolgreicher Varianten
UX-Audit Analyse bestehender Prozesse auf Nutzerfreundlichkeit
Rechtsprüfung Abstimmung mit Datenschutz- und Wettbewerbsrechtsexperten

10. Fazit

Dark Patterns sind ein Paradebeispiel dafür, wie Designentscheidungen Nutzerverhalten manipulieren können – oft subtil, aber wirkungsvoll.
Gerade im E-Commerce sind sie eine Gratwanderung zwischen Conversion-Optimierung und Verbrauchertäuschung.

Langfristig gewinnen jedoch die Shops, die auf Vertrauen, Transparenz und Ethik setzen:

  • Sie fördern echte Kundenzufriedenheit,

  • erfüllen rechtliche Vorgaben,

  • und stärken ihre Marke nachhaltig.

Merke:

Ein ehrlicher Klick ist wertvoller als tausend erzwungene – denn Vertrauen lässt sich nicht designen, sondern nur verdienen.